Irgendwo in deinem Körper hat dein Immunsystem gerade still und heimlich einige deiner eigenen Zellen gekillt, um zu verhindern, dass sie zu Krebs werden, und um dir das Leben zu retten. Das geschieht ständig. Die meisten Krebszellen die entstehen werden aus dem Weg geräumt, ohne dass du’s mitkriegst.
Und das ist ein richtig harter Job: Denn Krebszellen sind ein Teil von dir, der plötzlich eigenständig wird, auch wenn dir das schadet. Was ist Krebs eigentlich, und wie killt dein Körper ihn ständig? INTRO Krebs entsteht, wenn beschädigte Zellen sich unkontrolliert vermehren.
Grundsätzlich kann das so ziemlich jede Art Zelle in deinem Körper betreffen, es gibt also nicht nur eine Art Krebs, sondern hunderte. Manche wachsen langsam, andere sind aggressiv, manche können gut behandelt werden, andere enden tödlich. Eine Zelle, die zu Krebs wird, verwandelt sich gewissermaßen in etwas Uraltes und zugleich Neues.
Über Milliarden Jahre hat die Evolution Zellen geformt, um sogar in feindlicher Umgebung zu überleben, wo sie um Platz und Ressourcen kämpfen müssen. Dann entstand eine neue Strategie: Kooperation. Arbeitsteilung führte zur Spezialisierung und ließ Zellen gemeinsam erfolgreicher werden.
Kooperation fordert aber auch Opfer. Damit ein mehrzelliges Lebewesen gesund ist, muss das kollektive Wohlbefinden mehr zählen als das Überleben der einzelnen Zelle. Krebszellen lassen diesen Verbund im Stich und werden wieder zu Einzelgängern.
Einige wenige solcher abtrünniger Zellen sind kein Problem für deinen Körper, aber manche Krebszellen teilen sich immer und immer wieder und werden quasi zu einem neuen Organismus in dir drin, der dir überlebenswichtige Ressourcen wegfrisst, Raum in deinem Körper einnimmt und dabei die Organe zerstört, von denen die Zellen ursprünglich stammen. Trotz des Schadens, den sie anrichten, sind Krebszellen nicht böse. Sie wollen dir nichts anhaben.
Sie wollen gar nichts. Zellen sind Proteinroboter, die nur ihrem Programm folgen, welches in diesem Fall dummerweise beschädigt ist. Die Seele der Zelle Kurz gesagt haben deine Zellen einen Kern voller DNA.
Die besteht aus Genen - Anleitungen, wie und wann einzelne Proteine zu bauen sind. Diese Baupläne werden kopiert und auf Ribosomen übertragen, die damit Proteine herstellen. Welche Proteine eine Zelle macht, entscheidet, was die Zelle tun kann.
Wichtig ist dass ein beschädigtes Gen auch ein beschädigtes Protein zur Folge hat. Das kommt später wieder ins Spiel. Deine DNA wird zehntausende Mal am Tag beschädigt - sie mutiert.
Meistens ohne speziellen Grund, das ist einfach das Leben. Fast alle dieser Mutationen können sehr schnell repariert werden oder sind eh kein Problem. Aber deine Zellen kopieren sich ständig selbst und mit der Zeit sammeln sich Schäden an.
Stell dir vor, du müsstest jahrzehntelang Kopien von Kopien von Kopien machen. Vielleicht lag mal ein Haar auf dem Scanner oder eine Ecke ist eingerissen. Jeder neue Fehler wird Teil der neuen und aller folgenden Kopien.
Manche Dinge verschlimmern den DNA-Schaden, etwa Rauchen, Alkohol, Übergewicht, Asbest einzuatmen, keinen Sonnenschutz zu benutzen oder sich mit einem Virus wie HPV anzustecken. Aber der einfachste Weg, DNA zu beschädigen und Krebs zu kriegen, ist, lange genug zu leben. Für viele Krebsfällen gibt es keinen anderen Grund als “Pech gehabt”.
Der Schaden, der zu Krebs führt Das ist zwar vereinfacht, aber grob gesagt müssen drei Kategorien von Genen beschädigt werden, damit Krebs entsteht. Die erste Schlüsselmutation betrifft die sehr passend bezeichneten Tumorsuppressorgene, kurz TSG. Sie haben verschiedene Aufgaben: Unter anderem schaffen sie Kontrollmechanismen, um deine DNA kontinuierlich nach Schäden und Kopiefehlern abzusuchen und diese direkt zu reparieren.
Und sie verhindern, dass normale Zellen sich wie wild vermehren. Werden TSGs beschädigt, vergessen deine Zellen quasi, wie sie sich selbst reparieren und multiplizieren sich haltlos. Die zweite entscheidende Mutation passiert in deinen Onkogenen.
Werden Onkogene aktiviert, heißt das für die Zelle, sich ganz schnell zu vermehren. Onkogene waren super aktiv, als du noch im Mutterleib warst. Damit aus einer einzigen Zelle in wenigen Monaten Billionen werden, muss sich diese Zelle schnell teilen und vermehren.
Bestehst du aus genug Zellen, werden die Gene für schnelles Wachstum wieder abgeschaltet. Werden deine Onkogene beschädigt, schalten sie sich aber quasi wieder ein. Die dritte bedeutende Mutation betrifft den Selbstmord-Schalter in deinen Zellen.
Die meisten Zellen werden ständig erneuert. Ist eine Zelle zu stark beschädigt, bemerkt sie das normalerweise. Dann lösen spezielle Gene eine Art kontrollierten Selbstmord aus, die sogenannte Apoptose.
Werden die Gene, welche diesen Prozess steuern, beschädigt, leben Zellen weiter, auch wenn sie gefährlich beschädigt sind. Wenn eine Zelle also die Fehler in ihrem Gencode nicht mehr reparieren kann, die Fähigkeit verliert sich bei übermäßigem Schaden selbst zu zerstören und ungehindert sehr schnell wächst, wird sie zu einer jungen Krebszelle. Diese Zellen müssen so schnell wie möglich aus dem Weg geschafft werden.
Sie sind in diesem Stadium bereits gefährlich, aber noch ziemlich schwach und leicht zu bekämpfen. Mutieren sie aber weiter und werden immer mehr, können sie lernen, deine Abwehr zu umgehen. Dann werden sie zu einer echten Bedrohung.
Dein Immunsystem ist jede Sekunde deines Lebens auf der Jagd nach solchen Zellen. Aber wie kann es beschädigte Zellen erkennen und töten, die von gesunden Zellen scheinbar nicht zu unterscheiden sind? Wie man Krebs findet Tja, jetzt kommen wieder die Proteine ins Spiel, die von deinen Zellen zusammengebaut werden.
Wenn sich zum Beispiel deine Onkogene wieder einschalten, baut die Zelle Onkogen-Proteine. Dein Immunsystem weiss, dass es die im erwachsenen Körper nicht geben sollte. Um zu wissen, welche Zellen beschädigt sind und welche gesund, muss dein Immunsystem also wissen, welche Proteine sie in ihrem Inneren herstellen.
Dafür hat sich die Evolution die MHC-Klasse-I-Moleküle ausgedacht. Sie sind quasi Schaufenster, durch die eine Zelle transparent wird. Zellen nehmen ständig kleine Proben der Proteine, die sie herstellen, und präsentieren sie in tausenden solcher MHC-Moleküle.
Für einen aktuellen Lagebericht wird die Auswahl ständig erneuert. Es gibt eine ganze Menge Proteine, die sehr gefährlich sind und eine gesunde Zelle nicht herstellen sollte. Dein Immunsystem hat sie alle quasi in einer Bibliothek abgespeichert und verfügt über Milliarden spezialisierte Zellen, die T-Zellen, welche spezifische Proteine erkennen können.
Sieht eine T-Zelle ein verbotenes Protein in einem MHC-Fenster, weiss sie, dass die Zelle beschädigt ist, und killt sie sofort. Einen Fehler hat dieses System aber. Was, wenn eine Krebszelle mutiert und es schafft, diesen Prozess zu umgehen?
Dazu muss sie nur aufhören, MHC-Klasse-I-Moleküle herzustellen, und zack, ist sie unsichtbar. Ohne Schaufenster ist das Immunsystem blind und erkennt Krebs nicht mehr. Aber zum Glück hat sich die Evolution dafür eine geniale Lösung ausgedacht: Die natürliche Killerzelle.
Richter und Henker in einem. Der Killer Genau in diesem Moment sind hunderte Millionen natürliche Killerzellen in deinem Körper auf Patrouille und suchen Zellen, die bereits zu Krebs geworden sind oder von einem Virus beschädigt wurden. Natürliche Killerzellen gehen von Zelle zu Zelle und kontrollieren, ob sie MHC-Klasse-I-Moleküle haben.
Gibt es ein Schaufenster und hält sich die Zelle an ihre Pflicht zu zeigen, was in ihrem Inneren vorgeht? Das ist genial, denn damit bist du mehrfach abgesichert: Während T-Zellen nach dem Unerwarteten Ausschau halten, nach etwas, was nicht da sein sollte, bemerken natürliche Killerzellen, wenn etwas fehlt, was eigentlich da sein sollte. Die Logik dahinter: Hat eine Zelle keine Schaufenster, will sie etwas verbergen.
Und eine Zelle, die etwas zu verbergen hat, muss aus dem Weg geräumt werden. Was die natürliche Killerzelle so krass macht, ist dass sie immer im Killermodus ist. Sie patrouilliert deinen Körper und checkt Zelle um Zelle, mit der Absicht, sie zu töten.
Gesunde Zellen müssen sie immer wieder überzeugen, dass sie es verdient haben, weiterzuleben. Und ein Weg, das zu tun, sind MHC-Klasse-I-Moleküle. Fast alle jungen Krebszellen, die dein Körper im Leben je bildet, werden von deinem Immunsystem weggeräumt.
Okay, aber wenn dein Körper so gut vorbereitet ist, warum kriegst du dann trotzdem noch Krebs? Tja, manchmal können Krebszellen auch stärker mutieren und sich dann sehr viel besser zur Wehr setzen. Krebs ist ein Wettrüsten.
Eins, dass wir irgendwann gewinnen werden, vielleicht mit Hilfe natürlicher Killerzellen. Aktuell gibt es einige neuartige Therapien mit ersten vielversprechenden Resultaten, von Impfungen gegen Krebs bis zu weiterentwickelten T-Zellen und sogar natürlichen Killerzellen. Wir werden uns diese Therapien in anderen Videos noch genauer anschauen.
Der Krieg ist also noch nicht gewonnen, aber wir sind dem Krebs auf den Fersen, und früher oder später werden wir ihn endgültig auslöschen - vielleicht sogar schneller, als wir meinen.