Vermutlich geht's dir wie vielen Menschen. Die Person, die du bist, ist nicht unbedingt die Person, die du gerne wärst. Es gibt Kleinigkeiten, von denen du denkst, dass du sie ändern solltest, und richtig Großes, was du meinst, schaffen zu müssen.
Ob mehr Sport treiben, gesünder essen, eine Fremdsprache lernen, einen Roman schreiben, mehr lesen oder einfach nur tatsächlich deinen Hobbys nachzugehen, statt durch Reddit zu scrollen. Manchmal scheint es aber, als ob du erst ein anderer Mensch werden müsstest, um deine Ziele zu erreichen. Jemand, der konsequenter ist als du, der sich mehr anstrengt, der diszipliniert und willensstark ist.
Vielleicht hast du das schon mal mit aller Macht versucht. Und vielleicht hat es sogar geklappt. Aber doch nur für eine Weile.
Und dann sind da plötzlich wieder die alten Muster. Am Ende scheinst du immer wieder zu scheitern. Und mit jedem Scheitern wirst du frustrierter und ärgerst dich immer mehr über dich selbst.
Glaubt man dem Internet, das "ohne Fleiß kein Preis" predigt, ist das einzig und allein dein Fehler. Hast du keinen Erfolg, wolltest du es einfach nicht genug. Und hast das Scheitern nur dir zuzuschreiben.
Aber Veränderung ist tatsächlich sehr schwierig. Wie die meisten Dinge im Leben wird aber auch sie einfacher, wenn wir verstehen, wie sie zustande kommt. (Fröhliche Musik) (Tiergeräusche) Der Dschungel.
Stell dir dein Gehirn als üppigen, dichten Dschungel vor. Dich zu entscheiden, etwas zu tun, ist wie sich durch einen richtigen Dschungel zu kämpfen. Es ist schwierig und braucht Energie.
Dein Gehirn mag keine Energieverschwendung. Deshalb hat es sich einen Trick ausgedacht. Alles, was du tust, deine Handlungen und dein Verhalten, hinterlassen Wege im Gehirndschungel.
Fängst du etwas Neues an, trampelst du ein paar Pflanzen nieder und machst dadurch kleine provisorische Pfade ins Dickicht. Je öfter du das Neue tust, umso deutlicher wird der Pfad. Mit der Zeit wird daraus ein besser begehbarer Weg.
Weshalb du ihn jetzt öfters nimmst. Wodurch er wiederum zu einer Straße wird. Und während du das Neue wiederholst, immer wieder über Jahre, wird die Straße zu einer Autobahn.
Sie zu nehmen ist mühelos, vertraut und bequem. Je ausgeprägter die Autobahnen in deinem Gehirn, umso mehr gewöhnst du dich an diese Bequemlichkeit. Also nutzen wir sie ständig, was bedeutet, dass wir meistens das tun, was wir schon immer getan haben.
Deshalb ist Veränderung so schwierig, besonders als Erwachsener. Wen der Gehirndschungel schon durchzogen von jeder Menge bewährter Straßen und Autobahnen ist. Um zu verstehen, wie solche Autobahnen entstehen: müssen wir zwei Dinge unterscheiden: Was du tust, Routine und Gewohnheit.
Eine Routine ist eine planmäßige Abfolge von Handlungen, die du bewusst jedes Mal genau gleich ausführst. Weil das für dich gut funktioniert. Zum Beispiel kaufst du die gleichen Zutaten für dein Lieblingsrezept.
Und kochst es immer genau gleich, weil dir das Resultat schmeckt. Oder du stellst dir vorm Schlafen- gehen einen Wecker auf 6. 30 Uhr, weil du dann aufstehen willst.
Hinter den Routinen kannst du dir einen vernünftigen Planer vorstellen, der langsam und analytisch vorgeht. Und verantwortlich ist für Strategien und Sachen wie Kopfrechnen. Der Planer denkt an die Zukunft und bezieht sorgfältig mit ein, was du erreichen möchtest.
Darauf basierend wählt er bestimmte Handlungen, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Auch wenn diese Ziele ungemütlich sind, etwa nach dem Aufstehen direkt zu duschen. Mit der Zeit werden aus Routinen Gewohnheiten, die dir sehr viel leichter fallen, denn sie sind quasi eine Abfolge von Aktionen, über die du gar nicht mehr nachdenkst.
Du hast sie schon so oft abgespult, dass dein Gehirn sie als belohnend empfindet und als gute Reaktion auf bestimmte Situationen ansieht. Gewohnheiten fühlen sich deshalb an, als wärst du auf Autopilot. Zu Gewohnheiten musst du dich nicht überreden, du tust sie einfach.
Wichtig ist dabei, Gewohnheiten werden von bestimmten Triggern ausgelöst. Auslöserreizen, die aus Einzelheiten oder ganzen Situationen bestehen können. Sie signalisieren deinem Gehirn ein bestimmtes Verhalten oder eine Handlung anzustoßen.
In deinem Leben gibt es bereits viele solche Trigger. Zum Beispiel, dass du dein Handy fast immer entsperrst, sobald du es siehst. Oder dass du dich automatisch anschnallst, sobald du dich ins Auto setzt.
Oder dass du dir jedes Mal auch einen Keks kaufst, wenn du dir einen Morgenkaffee holst. Selbst wenn du gar keinen Hunger hast. Gewohnheiten werden von einem impulsiven Kleinkind ausgeführt.
Es reagiert auf deine unmittelbaren Wünsche, je nachdem was sich um dich herum befindet, ohne langfristige Zeile abzuwägen. Dieses Kleinkind kennt keine Zukunft und hasst harte Arbeit. Nimmt es einen Trigger wahr, lotst es dich zu dem einfacheren Weg in deinem Gehirn, der zu bekannten lohnenden Zielen führt.
Wenn du Kaffee holst, will das Kleinkind auch den Keks dazu, einfach nur, weil du das jeden Morgen so machst. Mit genau diesem Gefühl der Belohnung beginnen die meisten deiner schlechten Gewohnheiten. Schokolade ist lecker und auf Reddit rumzusurfen kann ab und zu Spaß machen.
Dieses lohnende Gefühl, das mit dem Verhalten verknüpft ist, wollen wir immer wieder haben, und so entsteht eine schlechte Gewohnheit. Obwohl das Kleinkind klingt wie ein eingebauter Sabotagemechanismus, ist es genauso wichtig wie der vernünftige Planer. Meistens arbeiten die zwei auch erfolgreich zusammen.
Du brauchst den vernünftigen Planer, um über große Dinge nachzudenken, seitwärts einzuparken und deine Steuererklärung auszufüllen. Aber alles den weisen Planer machen zu lassen, würde viel zu viel Energie kosten. Indem dein Gehirn banale, sich wiederholende Tätigkeiten als Gewohnheiten auslagert, die vom Kleinkind gesteuert werden, kriegt dein Gehirn deinen Alltag gebacken, während es gleichzeitig komplexere mentale Herausforderungen bewältigt.
Wollen wir uns also verändern und ein neues Verhalten etablieren, können wir uns das mit genau diesen Energiesparmaßnahmen einfacher machen. Wir konzentrieren uns auf kleine Dinge, nichts Großes. Besser das Leben ein kleines bisschen besser zu machen, als zu hohe Ziele zu setzen und dann gar nichts zu verändern.
Vor allem, weil kleine Veränderungen über Monate und Jahre ganz schön was bewegen können. Wie du eine Gewohnheit bastelst: (Lockere Musik) Willst du Veränderungen einfacher machen, erzwingst du sie besser nicht durch reine Willenskraft, sondern überzeugst dein Gehirn, dass sie gar keine große Sache sind, indem du neue Routinen kreierst. Die dann zu Gewohnheiten werden.
Du willst, dass der weise Planer den ersten Pfad baut und dann das Kleinkind ins Spiel bringt, um die Handlung irgendwann mühelos anzustoßen. Sagen wir mal, du möchtest mehr Sport treiben, damit du fitter wirst. Ein Ziel, das viele haben.
Als Erstes legst du für dieses ziemlich unklare Ziel eine Reihe von kleinen, klar umrissenen Handlungen fest, die dich dahin führen können. Die erste Handlung sollte möglichst niederschwellig sein, so niedrig, dass sie machbar ist, und so klar, dass du nicht viel darüber nachdenken musst. Eine konkrete kontrollierbare Handlung könnte etwa sein: jeden Morgen zehn Kniebeugen zu machen.
Am Anfang kannst du also versuchen, eine Routine zu kreieren. Während du gleichzeitig auch eindeutige Trigger einbaust, auf die das Kleinkind später leicht anspringt. Denk dran, ein Trigger ist nichts anderes als ein Auslöser, der immer mit der Handlung in Verbindung gebracht wird.
Das können visuelle Hinweise sein, etwa etwas bestimmtes zu sehen, wie deine Trainingssachen. Oder eine bestimme Tageszeit oder ein bestimmter Ort, wie ein nahegelegener Park. Alles zusammen verstärkt den Effekt noch.
Der Trick bei der Sache ist, dass du die Handlung immer in einem bestimmten Kontext ausführst. Dieser Trigger wird dann zum Startknopf, der die Handlung mit der Zeit automatisch auslösen wird. Um also fürs Erste deine neue Fitnessroutine mit zehn Kniebeugen anzufangen, könntest du dabei etwa immer deine Sportsachen tragen.
Und die Kniebeugen immer zur gleichen Zeit am gleichen Ort machen. Etwa um acht Uhr Früh in deinem Wohnzimmer. Hast du Trigger und Handlung, brauchst du das nur noch regelmäßig zu wiederholen.
Am besten jeden Tag. Machst du das lange genug, wird aus der Routine eine Gewohnheit, aus dem Pfad eine Autobahn. Nicht falsch verstehen, die Kniebeugen werden immer noch Energie kosten.
Aber die Entscheidung, mit den Kniebeugen überhaupt loszulegen, wird sich nicht mehr nach einer Aufgabe anfühlen, sondern einfach ein normaler Teil deines Tages werden. Die Idee ist ziemlich einfach. Die Umsetzung trotzdem oft nicht so leicht.
Vieles, was du gerne zur Gewohnheit machen würdest, verspricht keine so schnelle Belohnung wie Zeit auf Reddit zu verschwenden. Um es einfacher zu machen, ein neues Verhalten zu wiederholen, und dadurch die Chance zu erhöhen, dass das Kleinkind es aufnimmt, versuch, das Verhalten angenehm zu gestalten. Nicht, indem du dich direkt danach selbst belohnst, sondern indem du die Handlung selbst angenehmer machst.
Etwa indem du deinen Lieblingspodcast nur noch während dem Sport hörst. Oder indem du zwischen zwei Runden "Civilization" an deiner Steuererklärung arbeitest. Du musst selbst herausfinden, was für dich am besten funktioniert.
Im Prinzip ist das alles. Frustrierend einfach wie so vieles, was du tun kannst, um dein Leben besser zu machen. Wie lange es dauert, bis das Kleinkind übernimmt und eine Gewohnheit etabliert, ist sehr unterschiedlich.
Es kommt auf das Verhalten an, das du dir angewöhnen willst, darauf, was für ein Typ Mensch du bist, auf dein Stresslevel und viele weitere Faktoren. Es dauert zwischen 15 und 250 Tagen, bis eine neue Gewohnheit durch einen Trigger automatisch ausgelöst wird. Wie lange es bei dir dauern wird, kannst du vorher nicht wissen.
Einfach mal anzufangen ist oft überraschend leicht. Vor allem die ersten ein, zwei Wochen. Dann dranzubleiben, jeden Tag, ist schwer.
Aber mit der Zeit wird es einfacher. Es gibt kein Wundermittel für Veränderung. Aber die Wissenschaft hinter Gewohnheiten zeigt uns, dass Veränderung möglich ist, egal wie alt oder jung du bist.
Selbst wenn du nur ein wenig mehr Gutes oder ein bisschen was Neues tust, ist das ein Erfolg. Nur ein bisschen gesünder zu leben oder ein bisschen mehr zu wissen, ist tausendmal besser als mit etwas unzufrieden zu sein und nichts zu verändern. Schlussendlich ist Veränderung eine Richtung, kein Ziel.