Stirbt Deutschland aus?

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Dinge Erklärt – Kurzgesagt
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Video Transcript:
Alle zwei Jahre gibt es eine Million Japaner weniger, die chinesische Bevölkerung wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts halbiert haben, und in Italien liegt das Medianalter bei 48 Jahren. Auf der ganzen Welt brechen die Geburtenraten ein - stirbt die Menschheit aus? Was ist da los, und wie schlimm ist es?
Hunderttausende Jahren wuchs die Bevölkerung kaum, von Krankheiten, Hungersnöten und Kriegen heimgesucht - bis zur industriellen Revolution. Exponentieller Fortschritt führte zu exponentiellem Wachstum dass unsere Zahl im Jahr 1999 auf 6 Milliarden und nur 24 Jahre später auf 8 Milliarden ansteigen ließ. Und unsere Zahl wird noch mindestens 60 Jahre weiterwachsen.
Dieses Wachstum verschleiert aber etwas: Wir machen irgendwie keine Kinder mehr. Für eine stabile Bevölkerung müsste jedes Paar durchschnittlich zwei Kinder haben. Ist diese Zahl höher, wächst die Bevölkerung, ist sie niedriger, schrumpft sie.
Ist sie viel niedriger, schrumpft sie sehr stark, und das sehr schnell. In Südkorea etwa, einer der angesagtesten Exporteure für Popkultur, lag die Fertilitätsrate 2022 bei 0,8 Kindern pro Frau, die niedrigste der Welt. Das bedeutet, dass 100 heute gebärfähige Südkoreanerinnen 40 Kinder haben werden.
Und die dann 16 Kinder, und die 6. Wenn sich nichts ändert, wird es innerhalb von 100 Jahren 94 % weniger junge Leute geben und die Bevölkerung in Südkorea zusammenfallen. Zumindest, wenn sich nichts ändert - es bleibt zu sehen, wie weit die Fertilitätsrate noch fallen wird.
Setzen wir das allerdings in Perspektive und absolute Zahlen, wird die Bevölkerung gar nicht wirklich schrumpfen - sie wird lediglich ihr einstiges Level erreichen. 1950 gab es 20 Millionen Südkoreaner, 2023 sind es 52 Millionen, und bis 2100 werden es wieder 24 Millionen sein. Das Problem ist aber gar nicht, dass es weniger Südkoreaner geben wird, sondern wie sich die Bevölkerung zusammensetzt.
1950 war das Medianalter 18. 2023 ist es 45. 2100 wird es 59 sein.
Ein Land der Senioren. Und das betrifft längst nicht nur Südkorea. China könnte den steilsten Bevölkerungsschwund der Geschichte erleben, mittlerweile unaufhaltbar.
Die schnelle Industrialisierung, Urbanisierung und steigende Einkommen hatten zur Folge, dass die Chinesen kleinere Familien bevorzugten. Das und die Einführung der Ein-Kind-Politik, welche das Bevölkerungswachstum verlangsamen sollte, bedeutet, dass China seit Jahrzehnten eine niedrige Fertilitätsrate verzeichnet. Mit einer Fertilitätsrate von 1,16 Geburten pro Frau werden aus 100 jungen Chinesen über vier Generationen 20.
Chinas Fertilitätsrate ist heute eine der niedrigsten in Ostasien, sogar noch niedriger als in Japan. Im Vergleich verläuft die Entvölkerung in Europa trotz der niedrigen Fertilitätsrate viel langsamer, da die meisten Länder hier einen steten Einwanderungsstrom hatten. Das hat sehr komplexe Auswirkungen: Da ein großer Teil ebenfalls aus Regionen mit niedrigen Fertilitätsraten stammt, ist die Zahl der Immigrantinnen, die dann mehr Kinder haben, noch nicht groß genug, um wirklich etwas zu verändern.
Und die Fertilitätsraten von Immigrantinnen passt sich meist innerhalb von 2-3 Generationen an die der einheimischen Bevölkerung an. In Osteuropa hat sich der Abfall noch verschnellert, weil viele junge Menschen in Länder mit stärkerer Wirtschaft ausgewandert sind, wie Deutschland zum Beispiel - unser Medianalter von 46 gehört aktuell zu den höchsten der Welt. Lateinamerika fiel 2015 unter das Bestandserhaltungsniveau.
In den USA wächst die Bevölkerung nur noch dank der Einwanderung in nennenswertem Rahmen. Es gibt Orte, wo die Fertilitätsrate noch nicht unter dem Bestandserhaltungsniveau liegt. In einem großen Teil des mittleren Ostens sowie in Nord- und Subsahara-Afrika ist die Fruchtbarkeit immer noch hoch.
Manche befürchten deshalb eine dortige Überbevölkerung, genau wie in den 1950ern, als Asien sehr schnell wuchs. Dort war die Sorge vollkommen unbegründet. Die UN hat vor Kurzem ihre Prognosen für die afrikanische Bevölkerung massiv nach unten korrigiert.
Für Nigeria wurde die Schätzung für 2100 von 733 Millionen auf 546 Millionen verringert. Ähnliche Entwicklungen machen sich auf dem ganzen Kontinent bemerkbar. Mit der zunehmenden Entwicklung Afrikas sinkt die Fertilitätsrate viel schneller als vermutet.
Es wird immer wahrscheinlicher, dass sich die Geschichte Ostasiens wiederholen wird - bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die meisten Orte in Afrika ebenfalls unter das Bestandserhaltungsniveau fallen. Schrumpfende Fertilitätsraten und eine alternde Bevölkerung sind also auf der ganzen Welt eine aktuelle Entwicklung. Warum ist das alles so eine Riesensache?
Demografien & Armut Für eine funktionierende Gesellschaft braucht es genügend junge Leute in der Blüte ihres Lebens. Menschen die jung oder mittleren Alters sind, leisten die meiste Arbeit. In jedem Wirtschaftssystem schaffen Menschen im Erwerbsalter den Wohlstand einer Gesellschaft.
Im Ruhestand trägst du nicht mehr soviel zur Wirtschaft bei. Den Großteil der Gesundheitskosten verursachen aber Senioren. In der Vergangenheit funktionierte die Welt so, dass viele junge Menschen für einige wenige ältere Menschen sorgten.
Stell dir eine Gesellschaft vor, in der die meisten Menschen über 60 sind. Die finanzielle Last für die Jüngeren wird massiv sein, und selbst für die reichsten Länder untragbar. Selbst im besten Fall bedeutet das, dass wir viel länger werden arbeiten müssen, Gesundheitskosten und Armut explodieren werden und Länder mit sinkendem Einkommen den steigenden Kosten kaum gewachsen sein werden.
Technologie könnte das etwas abschwächen, aber ganz kompensieren wird sie es nicht. Wir sehen das bereits jetzt. 11 von 31 chinesischen Provinzen haben Defizite in ihren Rentenkassen.
Sie wurden alt bevor sie reich werden konnten und können das jetzt nicht mehr wirklich aufholen. Prognosen sagen, dass die erwerbsfähige Bevölkerung Chinas bis 2050 um 20 % sinken wird, also 200 Millionen Menschen. Das ist so viel wie die gesamte erwerbsfähige Bevölkerung der USA heute.
Der Zusammenbruch der Infrastruktur ist eine quasi universelle Konstante bei Bevölkerungsschwund. Infrastruktur funktioniert nur im großen Maßstab, und ihr Betrieb wird nicht günstiger, wenn weniger Leute sie benutzen. Egal, ob die Bevölkerung durch Urbanisierung oder Verlust von Industrien und Arbeitsplätzen schrumpft: Verschwinden Menschen und ihr Einkommen, verschwinden auch die nötigen Ressourcen zum Erhalt der Infrastruktur.
Du kannst das in vielen verödeten Städten in Ostdeutschland sehen, wo die Bevölkerung nach der Wiedervereinigung plötzlich stark zurückging. Oder schau dir Japan an. Dort brauchst du nur aufs Land zu fahren, um aussterbende Städte zu sehen.
Aber halt - wenn wir weniger Menschen sind, wird das Leben dann nicht günstiger und besser, und wird es dann nicht mehr Ressourcen für alle geben? Leider falsch. Bevölkerungsschwund führt nicht zu größerem Reichtum.
Reichtum entsteht durch Ideen und Arbeit von Menschen, nicht durch die bloße Verfügbarkeit von Ressourcen. Eine alternde Gesellschaft birgt außerdem die Gefahr, dass die gewählte Regierung den Interessen und Ängsten der Älteren den Vorzug geben könnte. Das könnte zu kurzfristigem Denken und Handeln führen, und zu einer Bevorzugung von Wohlstandserhalt über Innovation.
So eine Gesellschaft kann Probleme wie den Klimawandel nicht lösen, der massive Investitionen und innovative Ideen braucht - etwas, was der Welt jetzt schon schwerfällt. Viele glauben, dass weniger Menschen auf der Welt eine gute Sachen wären, weil unsere Gesellschaften nicht nachhaltig sind, wir zu viele Ressourcen brauchen und wegen des Klimawandels. Das Problem ist, selbst wenn wir weniger Menschen wären, wäre dieser Prozess ziemlich sicher zu langsam, um die Umwelt positiv zu beeinflussen.
Die Weltbevölkerung wird noch mindestens 60 Jahre weiter wachsen, bevor sie wieder schrumpfen wird. Bis dahin müssen wir den Klimawandel gelöst haben. Genauso werden auch alle anderen positiven Effekte einer kleineren Bevölkerung wahrscheinlich nicht mehr in diesem Jahrhundert eintreten.
Importieren wir doch einfach Leute? Die einfachste Lösung scheint die Immigration zu sein - aber die Fertilität von Immigrantinnen passt sich innerhalb von drei Generationen dem lokalen Level an. Es braucht also einen steten Zuwachs neuer Einwanderer, und das ist längerfristig nicht nachhaltig, weil die Geburtenraten überall sinken.
Die einzige Möglichkeit wäre, arme Länder extra arm zu halten, damit junge, motivierte Menschen auf der Suche nach neuen Chancen und einem besseren Leben in Industrieländer auswandern. Ein ziemlich unmoralischer Plan. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird es in Afrika die meisten jungen Menschen der Welt geben.
Afrikanische Migranten könnten also die gesuchtesten Einwanderer überhaupt werden, und überalterte Gesellschaften hart um jeden Menschen kämpfen, der bereit ist, zuzuziehen. Einwanderung kann aber auch zu sozialen und kulturellen Spannungen führen, ein allgegenwärtiges Phänomen in allen Kulturen - vor allem, wenn Kulturen mit sehr unterschiedlichen Werten aufeinandertreffen. Das führt oft zu Gegenreaktionen, welche die Einwanderung wieder bremsen.
Ja, das ist frustrierend, aber das zu ignorieren, wird Gesellschaften nur spalten, Aufhetzer stärken und Fremdenhass verstärken. Wirtschaftlich gesehen ist Immigration größtenteils gut für eine Gesellschaft, selbst wenn das vielen Leuten widersprüchlich erscheint. Am meisten profitieren Nationen wie die USA, ein Einwanderungsland, das auf der Idee der persönlichen Freiheit und Chancen durch harte Arbeit aufgebaut ist.
Solche Länder werden in diesem Jahrhundert klar im Vorteil sein, vor allem, wenn sie es schaffen, die schlausten und ehrgeizigsten Menschen anzuziehen. Schlussfolgerung & Meinung Dieses Thema ist viel zu groß und betrifft Gesellschaften, so vielseitig wie die Menschheit selbst. Bitte genieße diesen Teil also mit Vorsicht, da wir natürlich eine mitteleuropäische Sicht haben.
Die fallenden Geburtenraten können auch als Nebeneffekt einer immer besser werdenden Welt betrachtet werden. Vor allem Frauen sind heute freier, höher gebildet und wohlhabender als früher. Es zeigt sich aber, dass Menschen in Gesellschaften, denen es besser geht, oft weniger Kinder haben.
Interessanterweise gibt es eine Lücke zwischen dem Kinderwunsch und wie viele Kinder die Menschen eigentlich haben: Frauen in Europa wünschen sich durchschnittlich 2. 3 Kinder - viel mehr, als sie tatsächlich haben. Wir haben im letzten Jahrhundert viele Freiheiten gewonnen, über Kontinente und Wirtschaftssysteme hinweg.
Das hatte aber einen Preis: Nämlich die engen Gemeinschaften und Familienstrukturen, die zu unserer Natur gehörten und in denen Kinder quasi vom Dorf groß gezogen wurden konnten. Heute müssen junge Eltern mit verschiedensten Herausforderungen und gesellschaftlichen Erwartungen fertig werden. Frauen werden zerrieben zwischen der Erwartung und dem Wunsch, Kinder und Karriere zu machen, und stehen unter Drck, beides kompromisslos zu tun.
Männer übernehmen immer mehr Elternpflichten, wodurch die Last heute gerechter verteilt ist - es wird aber oft immer noch erwartet, dass sie die Brötchen verdienen. Und traurigerweise ist es so, dass dabei die Karriere von mindestens einem Elternteil zurückbleibt. In vielen wohlhabenden Ländern besteht der Geschlechterunterschied beim Lohn hauptsächlich zwischen Müttern und allen anderen.
Aber es geht nicht nur um Drck von außen. Unsere Kultur des Individualismus spielt wahrscheinlich auch eine Rolle. Wir haben nur ein Leben, um, frei zu sein, zu reisen, Spaß zu haben, etwas zu erreichen und glücklich zu sein.
Menschen gehen deshalb immer später feste Partnerschaften ein und entscheiden sich oft gegen eine große oder überhaupt eine Familie. Und das ist auch in Ordnung. Niemand muss für sein Land Kinder kriegen.
Bis jetzt hat es kein Land geschafft, die Geburtenrate bedeutend zu steigern, deshalb wissen wir aktuell nicht, was funktioniert. Aber hier mal ein paar Ideen, um das Leben von Eltern wenigstens einfacher zu machen: Kostenloser und ausreichender Zugang zu Kinderbetreuung, finanzielle Unterstützung für Eltern, mehr und bezahlbarer Wohnraum. Elternschaft darf der Karriere nicht mehr im Weg stehen.
Und unsere Kultur muss familienfreundlicher werden. Daran können wir alle mitarbeiten: Wenn du das nächste Mal neben einem schreienden Kind sitzt, bleib nett. Kinder sind ein harter Job.
Die Menschheit wird nicht aussterben, nur weil wir ein paar weniger Kinder kriegen. Aber Alter und Zusammensetzung unserer Gesellschaften ändern sich schnell, und damit müssen wir uns lieber früher als später auseinandersetzen. Aber schlussendlich haben wir schon so viele unglaublich schwierige Herausforderungen gemeistert - warum sollten wir genau an dieser hier scheitern?
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